Kennt ihr diese Tage, an denen ihr denkt: „Bitte Tag, geh einfach weiter, ich hab’ keinen Bock mehr auf dich.“ Solch ein Tag war gestern. Aber frei nach dem Motto: wenn das Leben dir Zitronen reicht, dann beiße rein und genieße die Explosion, nahm alles eine unerwartete Wendung.
Ich beschloss um 19 Uhr noch eine Runde mit dem Hund zu drehen, um den Kopf freizubekommen. Danach würde ich mich auf mein Sofa legen, die Decke über den Kopf ziehen und den Tag ignorieren. Na gut, Decke über den Kopf war gestern utopisch, denn in meinem Holzhäuschen waren 26 Grad. Nix mehr mit Decke!
Ich machte also meine Runde und als ich mich bereits auf dem Rückweg und in der Einflugschneise zu meinem Grundstück befand, völlig genervt von den überaus lästigen Mücken, dachte sich der Tag: „Hey, ich hab’ eine Überraschung für dich. Entscheide du, was du jetzt aus der Situation machst.“
Vor mir auf dem Waldboden saß ein kleiner, hilfloser Bussard. Der kleine Kerl wurde bereits von den Fliegen attackiert, die fleißig dabei waren, Eier in sein flauschiges Gefieder zu legen und er saß vollkommen schutzlos in der Gegend herum. Ich war müde, wirklich müde und eigentlich wollte ich mir doch die Decke …. Egal, war ja ohnehin zu warm. Mir war klar, dass er nicht überleben würde, wenn ich ihn dort sitzen ließe. Also habe ich meinen Mann aktiviert und der hat mir die Adresse der Wildvogelstation in Osterholz-Scharmbeck herausgesucht, während ich mich auf den Weg nach Hause machte, um wenigstens dem Hund das gemütliche Sofa zu gönnen.
Dort angekommen rief ich in der Station an und erhielt die Auskunft, dass es in einem solchen Fall höchste Zeit für Hilfe sei, es höre sich an, als benötige er eventuell Infusionen.
Okay – wo soll ich hinkommen?
Teufelsmoor.
Prima! Das war nun wirklich nicht um die Ecke. Aber was tut man nicht alles … ich konnte ihn ja auf keinen Fall sterben lassen! Ich holte den Vogel, der in der Zwischenzeit durch den Wald gekrochen war und erst mal gefunden werden wollte, und fuhr los. Eine Stunde über die abendlichen Landstraßen. Es stelle sich heraus, dass mein kleiner Freund ein beeindruckendes Organ hatte. Nach zwanzig Minuten gab er auf. Mein rechtes Ohr dankte es ihm.
In der Station angekommen stellte sich heraus, dass der Kleine keine offensichtlichen Verletzungen aufwies, aber schwach war. Er würde zunächst etwas zu essen bekommen und versorgt werden. Es sei wahrscheinlich, dass es ein Bussard ist, aber auch ein Habicht wäre möglich. In dem Alter seien sie schwer zu unterscheiden, das müsse morgen der Fachmann bestimmen. Ich glaube noch immer, es war ein Bussard. Ich hinterließ meine Daten, den exakten Auffindeort und machte mich müde, aber glücklich auf den Heimweg. Was für ein Tag.
An dieser Stelle möchte ich der Wildvogelstation von ganzem Herzen danken. Ich hätte nicht gewusst, was ich tun soll, wenn es nicht Menschen wie euch geben würde, die ihre gesamte Zeit den Tieren schenken und die in einer solchen Situation helfen.
Ich hoffe von ganzem Herzen, dass der kleine Vogel den Weg ins Leben schafft und wenn in ein paar Monaten die Bussarde am Himmel ihre Kreise drehen, dann stelle ich mir vor, dass einer davon „meiner“ ist.
Eure Vanessa